Nachlese Antaiji-Wochenende

Ein Treffen mit Abt Muho Noelke in Kyoto

Ein kleiner Kreis von Gemeindemitgliedern traf sich am Sonntag, dem 15. November 2015, morgens im gemeinnützigen Campus Plaza in der Nähe des Bahnhofs Kyoto mit Abt Muho Noelke. Er steht dem Antaiji vor, der abgeschieden in den Bergen der Präfektur Hyôgo auf der Seite des japanischen Meers liegt und den wir im Juni zwei Tage lang besucht haben. Nach dem Besuch des Tempels, der der Sôtô-Schule des Zen-Buddhismus zugehört, stellten sich uns allen Fragen, die mit der Praxis der Meditation, mit dem Verhältnis von Arbeit und Religion und mit dem Weltbild des Zen-Buddhismus insgesamt zu tun hatten. Einige davon haben wir im Nachgespräch mit Abt Muho Noelke in Kyoto ansprechen können und sind dafür mit weiteren Einsichten in die buddhistische Glaubenslehre und den Alltag in einem Tempel belohnt worden.

Eingangs ging es dabei um lebenspraktische Dinge, wie beispielsweise das Essen, und ihre Einbindung in den Alltag und die religiöse Praxis. Einige Teilnehmer an der Reise waren der Meinung, dass die für das gemeinsame, schweigend eingenommene Mahl vorgesehene Zeit sehr knapp bemessen war und die Eile in einem merkwürdigen Gegensatz zur zweistündigen, vorher absolvierten Meditation stand. Abt Muho Noelke wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dies von den Bewohnern des Tempels in der Strenge so nicht empfunden werde. Diese seien an die Rituale gewöhnt, während wir als Gäste natürlich mehr Zeit dafür aufwenden mussten, uns angemessen zu platzieren, den Ritualen entsprechend zu essen und dann das Geschirr mit den letzten Resten zu säubern. Eine andere Frage betraf die Art und Weise der archaischen Zubereitung des Essens, denn im Tempel wird noch auf Holzfeuern gekocht und auf moderne Hilfsmittel wie Herde verzichtet. Dies sei eine Besonderheit des Antaiji und nicht zwingend typisch für andere Tempel des Zen. Das ursprüngliche Erleben der Elemente wie Feuer und die aufwendigere Vorbereitung würden – ähnlich wie beim täglichen Saubermachen – dazu zwingen, stärker „im Jetzt zu leben“ anstatt an andere Dinge zu denken.

Eine Grundlage des Gesprächs war ein Text von Shôbôgenzô Shôji, in dem es hieß: „Es gibt einen einfachen Weg zum Buddha zu werden: Tue nichts Schlechtes, halte nicht an Leben und Tod fest, habe tiefes Mitgefühl mit allem Lebenden, respektiere die über dir und nimm dich der unter dir an, hege gegen nichts Abscheu, berge keine Wünsche in deinem Herz, trage dich nicht mit Gedanken und mache dir keine Sorgen.“ Diese Textpassage warf unter uns einige Fragen auf. Eine davon bezog sich auf das Verhältnis von mönchischer Weltabwendung und menschlicher Zuwendung, etwa im Bereich der sozialen Wohlfahrt. In diesem Punkt erwähnte Abt Muho seine Tätigkeit in Obdachlosenheimen und verwies auf historische Beispiele der Armenfürsorge. Eine andere Frage richtete sich auf die Bedeutung des Studiums kanonischer Texte wie beispielsweise der Sutras. In den christlichen Klöstern spielt dieser Aspekt – das Studium und die Auslegung der Bibel – ja eine besondere Rolle. Im Antaiji sind für das Studium buddhistischer Texte im Winter bestimmte Zeitfenster vorgesehen. Da sich der Tempel weitgehend selbst versorgt, richtet sich vieles am jahreszeitlichen Rhythmus von Saat, Pflege und Ernte aus. Dem Studium von Texten wird daneben aber durchaus Raum gegeben.

Weniger wurde zum Problem der innerreligiösen Differenzen im Buddhismus im Allgemeinen und im Zen im Besonderen gesagt. Häufig verdanke sich die Entscheidung eines Einzelnen, welcher Richtung er sich anschließt, Zufällen und den persönlichen Lebensumständen. Man verfahre hier, im Gegensatz zu den christlichen Orden, weniger dogmatisch. Der Gegensatz von Tempel- und Klosterleben sei schon durch die äußeren Umstände vorgegeben, da die Entscheidung für ein Leben in einem christlichen Kloster in der Regel auf Dauer angelegt ist, während die Mönche im Antaiji nur eine begrenzte Zeit dort verbringen und dann wieder in den Alltag zurückkehrten.

 

Das etwa zwei Stunden lang dauernde Gespräch hat uns insgesamt geholfen, religiöse Praxis und den Alltag in einem Zen-Kloster besser zu verstehen.

(Bilder: privat)